Schon lange beschäftigte ihn der Gedanke, ob er ein Tier töten könnte. Er müsse sich doch Gewissheit verschaffen, sonst sei er nicht berechtigt Fleisch zu essen. Bis jetzt hatte er zwar Kaninchen gehalten, wenn sie gross waren, brachte er sie jedoch in den Schlachthof, wo ihm das Töten abgenommen wurde. Das Fleisch zu essen, war kein Problem, nur eines der Kinder, brachte das nicht fertig. Aber auch ihn liess das Thema nicht in Ruhe. So beschloss er, dem auf den Grund zu gehen.

Eine Woche lang bereitete er sich darauf vor, wie er das angehen wolle; praktisch, und noch intensiver in Gedanken. Er beschloss im Keller am grossen Eichenbalken zwei dicke Nägel einzuschlagen, daran je einen Strick mit einer Schlaufe anzuhängen und am Samstag das Kaninchen dort an den Hinterbeinen aufzuhängen. Er schnitt sich einen geraden fünf Zentimeter dicken, neunzig langen Haselstock und gedachte, das Kaninchen mit einem präzisen Schlag ins Genick zu töten.

Alles war gut vorbereitet, tagelang war er zentriert auf das Ereignis. Der Samstag kam, er holte das Kaninchen im Schopf, brachte es in den Keller, redete ihm zu und es wurde ganz still. Ohne Zuckungen oder einen Mucks, liess es sich aufbinden und hing bewegungslos vom Balken herunter.

Er fasste sich, raffte all seine Aufmerksamkeit auf einen Augenblick und schlug mit der absoluten Energie eines solchen Moments zu. Schlag, tot, Zeit steht still. Einhalten, aufatmen, erholen, abbinden. Tatsächlich, es ist gelungen, auf einen Schlag, Erleichterung ja fast so etwas wie Stolz. Er ist berechtigt Fleisch zu essen. Er fühlte sich erhaben aber – nicht lange danach – zeigte sich: Der Stolz war zu gross.

Er beschloss auch nächstes Mal, das Kaninchen selbst zu töten, er hatte sich ja die Fähigkeit bewiesen. Wieder das gleiche Vorgehen wie beim ersten Mal, nur nicht so intensiv, da er ja jetzt wusste wie das geht.

Wieder kam der Tag. Er holte das Tier, es war zapplig, liess sich nicht leicht beruhigen, zuckte während des Aufhängens, fing an zu schreien, doch er schlug zu, traf anscheinend nicht so präzise, das Kaninchen schrie noch immer, es brauchte einen zweiten Schlag, der endlich zur Stille führte.

Totenstille auch in seinem Herzen – er war zu überheblich geworden, hatte sich zu wenig intensiv vorbereitet auf den Tod und  musste sich schämen. Es dauerte lange, bis er wieder wagte, sich dieser Auseinandersetzung zu stellen.

La Côte, 8. Oktober 2009
Pierre Mollet